Kevin Gray, der ‘77 selbst einen D irekt-
sc h n itt m it d em Jazzp ian isten V icto r
F eldm ann anfertigte u n d diesen auf sei-
n em Label C ohearent S ound veröffent-
lichte, kan n es sich leisten, überschw äng-
lich zu loben, denn seine R eputation steht
der berühm ter Kollegen nicht nach. W eit
m eh r als 100 T op-T en- u n d m it einem
G ram m y ausgezeichnete A lben h at er
gem astert. D a bleibt die A n erk en n u n g
natürlich nicht aus. W eitere Schritte führ-
ten ihn über M CA Records u n d andere
Stationen schließlich zu seinem eigenen
Studio, das er 2010 gründete.
„C ustom m ade"-E lektro nik
Bereits seit den späten Siebzigern setzt der
K alifornier a u f seine selbst entw ickelte
u n d speziell nach seinen V orgaben ange-
fertigte, diskret aufgebaute, übertragerlose
Class A -M astering-E lektronik, die er bei
seinen jew eiligen A uftraggebern in stal-
lierte u n d die in 2000 gründlich ü berar-
beitet wurde.
N u n bildet sie d en technischen K ern
von C ohearent A udio. Das Studio selbst
liegt in einem Flachbau seitab des W o h n -
hauses in N o rth Hill. V on hier kom m en
seit n u n m eh r vier Jahren die T onträger
m it G ray-M astering. D er M eister em p -
fängt un s ü b eraus freu n d lich u n d au s-
kunftsfreudig. Er ist aufm erk sam u n d
konzentriert bei seiner Sache. M al hören,
was er zu berichten w eiß.
..
I
STEREO: Der Name Kevin Gray gilt
neben Bernie Grundman und Doug Sax
als einer der „Big Three“ für hochklassi-
ges Mastering und steht insbesondere für
Top-Kompetenz im Umgang mit älteren
Aufnahmen. Wie kam es dazu?
Gray: N u n ja, R em astering ist halt m eine
Spezialität und m eine Nische, die ich auch
total gerne besetze, denn ich liebe es, m it
den alten Sachen um zugehen. R und 75
Prozent m einer A rbeit sind deshalb Reis-
sues. Zw ar bringen selbst M ajors wie etwa
Sony M usic inzw ischen auch viele ihrer
neuen Titel w ieder au f V inyl heraus, von
denen einige über m ich laufen, aber das
m eiste sind eben doch W iederveröffent-
lichungen m ehr oder w eniger berühm ter
A lben säm tlich er G enres. D as h at sich
zum echten M ega-T rend entwickelt.
I
Und Cohearent Audio hat sich darauf
eingestellt!
W ell, das ist w ieder so eine N ische, in
d er ich als Spezialist gelte. E igentlich
m achte ich früher hauptsächlich CD-M as-
terings, doch m eine P latten u m sch n itte
haben m ich in der Szene wirklich bekannt
gem ach t, so dass sie inzw ischen ü b e r-
wiegen. U n d es ist ja m ittlerw eile nicht
m ehr selbstverständlich, dass ein M aste-
ring-Studio eine hochw ertig geschnittene
Lackfolie abliefern kann. Das reduziert
die K o n k u rren z. Ich fertige aber auch
die D SD -M aster für SACDs. O ft genug
will d er K unde sein B and ja fü r u n te r-
schiedliche T onträger und Vertriebswege
wie etwa zusätzliche Files in verschiede-
nen A uflösungen für D ow nload-Portale
haben, die ich ih m dan n ebenfalls liefere.
I
Nun gibt es seitens vieler Plattenhö-
rer eine Erwartung, was den Vinylklang
betriffi. Nimmt man darauf Rücksicht?
Das hängt im m er von der A rt der M usik
und Vorlage ab. G rundsätzlich will ich es
einfach gut klingen lassen. W enn dieser
A nspruch durch das M asterband bereits
erfüllt ist, versuche ich nicht, noch irgend-
was obendraufzusetzen. Klar, im Fall har-
scher M itten, überzogener H ö h en oder
eines flachen Basses greife ich in M aßen
ein, ohne aber dabei übers Ziel hinauszu-
schießen oder das Ergebnis in die R ich-
tung irgendeiner aktuellen Soundm ode zu
bürsten. D a bin ich sehr konservativ. Das
gilt ganz grundsätzlich, u n d ich b eh an -
dele die LP nicht anders, sondern tendiere
dazu, den K lang für alle T onträger u n d
Form ate identisch anzulegen.
I
Wer bestimmt denn überhaupt, wie ein
Reissue klingt, und warum unterscheidet
es sich vom Original?
D a g ib t es die u n te rsc h ie d lic h ste n
G ründe wie die W ünsche von P roduzen-
ten oder ältere V orlagen, an denen m an
sich orientiert. A ber auch das W issen um
historische B edingungen u n d Einflüsse,
die n ichts m it der M usik zu tu n h atten,
k ö n n en zu Eingriffen führen.
I
Wie darf man das verstehen?
H ier ist ein Beispiel: V iel von der P op-
M usik der 60er u n d 70er w urde gezielt
fü r die W iedergabe übers R adio abge-
m ischt. D abei h at m a n dam als in sb e-
sondere die M itten u n d H ö h en h erv o r-
gehoben. D enkt m al an den S ound von
B oston oder Journey u n d dem anderen
„big seventy stuff“, d an n w isst ihr, was
ich m eine. E ine M enge v o n dem , was
» K
a n n s t d u n i c h t d i e
S t i m
m
e n s t ä r k e r
h e r a u s t ö n e n l a s s e n ? «
w ir heute m it diesen Sachen m achen, ist,
etwas davon zu rü ckzunehm en, so dass
die A lben audiophiler klingen u n d n icht
m e h r so offensichtlich a u f die S ender
getrim m t. Ich habe in dieser Ä ra m it dem
M astering b egonnen, deshalb sin d m ir
die klanglichen Eigenheiten der Zeit sehr
vertraut. D a kam en die P roduzenten und
sagten: „H ey, was kannst du tu n , dam it
die S tim m en noch besser aus dem Radio
hervorstechen?“ - oder so ähnlich. W enn
es dagegen um Jazz der Fünfziger geht,
bleibe ich oft sehr dicht am u rsp rü n g li-
chen M ix. D a h än g t das, was zu tu n ist,
stark vom Einzelfall ab.
I
Und auf welcher Basis wird dann ent-
schieden?
M an h at natürlich über die Jahrzehnte -
ich beschäftige m ich ja schon lange m it
M astering - einen gewissen Instinkt en t-
wickelt, wie etwas zu klingen hat. D ane-
b en b in ich stets bem üht, etwa die dam a-
lige O riginalschallplatte dazuhaben, um
zu hören, was die frühere In ten tio n war.
W enn ich d an n B and u n d Platte verglei-
che, w eiß ich, was im M astering-T rans-
fer geschah oder ob einfach „flat“ üb er-
spielt w urde. D as b ed eu tet n icht, dass
ich das d an n kopiere, gibt aber w ichtige
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